Das große Buch der Gänse

Rezension von Iris Lichtenberg

                                                                     Mit wildem Schrei

 

Viele von uns kennen es: wie man ganz still wird, wenn tausende Weißwangengänse mit rauschenden Flügeln und lauten Rufen von einer winterlichen Weide an der Nordsee aufsteigen. Die schiere Menge und die Kraft ihrer Flügelschläge lassen uns mit Ehrfurcht zurück. Nun haben vier renommierte GänseforscherInnen ihre Forschungsergebnisse im „Großen Buch der Gänse“ mit uns geteilt.

„Forschungsergebnisse“ mag trocken klingen, aber trocken geschrieben ist dieses Buch nicht. Die Texte zeugen nicht nur vom umfangreichen Wissen der vier AutorInnen, sondern auch von ihrer Leidenschaft für Gänse. Zunächst geben unsdie AutorInnen einen Abriss zur Geschichte der Gänseforschung und der Populationsentwicklung einiger Gänsearten im Laufe der letzten Jahrhunderte. 

Dann erhalten wir einen interessanten Einblick in den Alltag der Gänseforschung auf einer entlegenen russischen Insel und den verschiedenen Methoden des Beringungsfangs. Die Zugwege der Gänse, die an unseren Küsten überwintern und in der Arktis brüten werden beschrieben. In allen diesen Kapiteln klingt bereits das Hauptthema des Buches an: die Ökologie der Gänse.

Was benötigen die unterschiedlichen Gänsearten in ihren Überwinterungsgebieten, auf dem Zug und in ihren Brutgebieten? Welche Nahrung, welchen Lebensraum, welchen Schutz. Die Anpassung der Gänse an die moderne Landwirtschaft wird dargestellt, nicht ohne ausführlich und sehr ausgewogen über die Konflikte mit den Landwirten zu sprechen und verschiedene Lösungswege zu diskutieren.

Welchen Störungen sind Gänse ausgesetzt, von der Jagd über Windkraftanlagen bis zum Freizeitdruck durch den Menschen und natürliche Prädation. Weitere Kapitel widmen sich der Vogelgrippe und den Neozoen unter den Gänsen. Schließlich gibt es zu allen Gänsen die man im deutschsprachigen Raum beobachten, kann ein kurzes Artporträt.

 

Mir gefällt an dem Buch, dass es durchgängig gut verständlich und mit einer Leidenschaft für Gänse und ihre Erforschung geschrieben ist. Der verständliche Schreibstil schadet dem großen Informationsgehalt des Buches in keiner Weise. Alle kontroversen Themen werden ausgewogen und lösungsorientiert besprochen. Das Halbwissen, das oft in Diskussionen geäußert wird, wird hier durch den aktuellen Wissensstand ersetzt.

Das Buch ist reich bebildert, doch hier setzt meine erste Kritik an. Hätte man einige Fotos eingespart und stattdessen Diagramme eingefügt zum Beispiel zur Bestandsentwicklung der Gänse oder zu den Zugwegen, hätte man sich viele Worte und Zahlenreihungen sparen können und den Inhalt dennoch plastischer vermittelt. Etwas schade sind auch die vielen Wiederholungen, die vermutlich daraus resultieren, dass vier AutorInnen an dem Buch gearbeitet und die Kapitel getrennt voneinander geschrieben haben. Durch die Themenschwerpunkte Ökologie, Forschung und Schutz sind mir die eigentlichen Protagonisten des Buches, die Gänse, nicht nahegekommen, gerne hätte ich etwas mehr über ihre Biologie und ihr Verhalten erfahren.

Dennoch ist dies ein unverzichtbares Buch für Naturschützer und Gänseliebhaber, es vermittelt uns ein breit gefächertes Wissen über Gänse und ihren Schutz. Und ich werde zukünftig noch mehr Ehrfurcht vor dem wilden Leben der Gänse haben, wenn sie zu Tausenden mit scheinbar einem Flügelschlag aufbrechen in ihre arktischen Brutgebiete.

 

Info

Das große Buch der Gänse

Von sozialen Wesen und rastlosen Wanderern

Kruckenberg/Kölzsch/Mooij/Bergmann

©2022 by AULA-Verlag GmbH, Wiebelsheim

256 S., 219 farb. Abb., 33 Karten, geb.,16,5 x 23 cm
ISBN 978-3-89104-841-2

29.95 €

 

 

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