Interview zum Thema Vogelgrippe

                          Experte: Elmar Ballstaedt, Stationsleitung Helgoland, Verein Jordsand e. V.

                          Interviewer: Rainer Stoll, Geschäftsführer birdingstours GmbH

 

Rainer Stoll: Hallo Elmar, wie ist die aktuelle Lage der Vogelgrippe auf Helgoland?

 

Elmar Ballstaedt: Hallo Rainer, der Verein Jordsand und die Vogelwarte Helgoland dokumentieren laufend die Entwicklung der Vogelgrippe auf Helgoland. Die Auswirkungen sind bei uns tatsächlich erst so richtig seit der ersten Julihälfte zu beobachten. Im Juni hatten wir schon vereinzelte Totfunde von Basstölpeln, welche im Laufe des Monats zunahmen. Seit der ersten Julihälfte leert sich der Felsen jedoch zunehmend und inzwischen sind weit über 60% der Nester verlassen. Dabei sterben viele Alt- und Jungtiere. Natürlich ist nicht bei allen Kadavern geklärt, ob diese an der hochpathogenen aviären Influenza (H5N1) gestorben sind. Auf jeden Fall ist es ein erschreckendes Bild, wie leer der Felsen um diese Jahreszeit ist – eigentlich der Hauptbrutzeit der Basstölpel!

Rainer Stoll: Welche Arten sind besonders betroffen?

 

Elmar Ballstaedt: Auf Helgoland sind bisher nur die Basstölpel betroffen – diese dafür umso schlimmer. Während des „Lummensprungs“ im Juni gab es bei Trottellumme und Tordalk glücklicherweise keine negativen Beobachtungen. Ebenso ist bei Dreizehenmöwe und Eissturmvogel keine aviäre Influenza nachgewiesen. Auch unsere Großmöwen (Herings- und Silbermöwen) sind bisher nicht erkrankt. Schaut man sich die Lage am Festland an, so ist dort v. a. die Brandseeschwalbe betroffen. Wie beim Basstölpel sind hier viele Kolonien entlang der europäischen Küste teilweise komplett verlassen, da die Tiere der Vogelgrippe zum Opfer gefallen sind. 

Für Arten wie den Basstölpel ist dieser Ausbruch eine Katastrophe: Sie werden erst mit 4-5 Jahren geschlechtsreif und können nur ein Jungtier pro Jahr großziehen. Die hohe Sterblichkeit der Alttiere ist aus diesem Grunde besorgniserregend, weil die Tiere darauf angewiesen sind, ein gewisses Alter zu erreichen (>20 Jahre). Wie sich das aktuelle Sterben der Alttiere in den kommenden Jahren bemerkbar machen wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abzuschätzen – das aktuelle Bild sieht jedoch düster aus.

 

Rainer Stoll: Was tut sich in Sachen Vogelgrippe?

Elmar Ballstaedt: Der diesjährige Verlauf der Vogelgrippe im Sommerhalbjahr ist ein Novum. Auch das Artenspektrum, welches der Vogelgrippe zum Opfer fällt, ist ein anderes. Basstölpel, diverse Seeschwalben- und Möwenarten, Skuas, etc. waren bisher nicht betroffen. Die Ursachen, warum das Virus nun im Sommer auftritt und Arten wie z. B. der Basstölpel so stark betroffen sind, sind weiterhin unklar. Das Friedlich-Löffler-Institut (LFI) befürchtet, dass das Virus zukünftig im Jahresverlauf zirkulieren könnte – für Arten wie den Basstölpel eine Katastrophe. Ein einmaliger Ausbruch kann möglicherweise durch noch nicht geschlechtsreife Jungtiere, welche dieses Jahr nicht in der Kolonie waren, in einem gewissen Maße aufgefangen werden. Hier können wir aktuell aber nur spekulieren.

Um die Ursachen für den sommerlichen Ausbruch besser verstehen zu können, nehmen wir im Auftrag des Veterinäramtes Proben der Basstölpel, um diese im Labor untersuchen zu lassen. Ebenso versuchen wir, ein möglichst hohes Artenspektrum zu beproben – bisher auf Helgoland aber nur mit positiven Ergebnissen beim Basstölpel.

 

 

Rainer Stoll: Was könnt ihr dagegen tun?

Elmar Ballstaedt: Leider kann man zum aktuellen Zeitpunkt nichts gegen die Vogelgrippe tun. Wir dokumentieren die Entwicklung an den Brutplätzen. Ebenso erfassen wir die Kadaver an den Stränden. Kadaver werden an den Stränden der Insel vom Ordnungsamt und teilweise uns entsorgt. Wichtig in den kommenden Jahren wird es sein, die Brutplätze der betroffenen Arten möglichst gut zu schützen, damit sich die Bestände hoffentlich langfristig erholen können. Noch ist für mich nicht greifbar, wie viele Basstölpel im kommenden Jahr auf Helgoland zur Brut schreiten werden und wie hoch die tatsächlichen Verluste bei den Altvögeln sind.

 

Rainer Stoll: Was können birdingtours-Gäste tun?

Elmar Ballstaedt: Wenn man sich zum aktuellen Zeitpunkt an der deutschen Nordseeküste und auf den dazugehörigen Inseln aufhält, besteht eine hohe Chance, an den Stränden auf Vogelkadaver zu treffen. Diese sollte man ebenso wie kranke Vögel bitte unter keinen Umständen anfassen! 
Auf Helgoland gibt es eine Bereitschaftsnummer des Ordnungsamtes, wo man Sichtungen melden kann – dies wird jedoch je nach Gebiet unterschiedlich gehandhabt. So sollte man sich immer lokal informieren, wie mit kranken und toten Tieren umgegangen wird und entsprechend handeln.

Wenn man sich aktiv beteiligen möchte, freuen wir uns über Spenden. Bisher ist über den Sommerausbruch und seine Ursachen wenig bekannt – wir hoffen, dass Monitoring und Beprobung dazu führen, die Hintergründe dieser schlimmen Entwicklung besser verstehen zu können!

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