Unter den einheimischen Singvögeln kann die Heckenbraunelle auf den ersten Blick als graue Maus gelten, denn der kleine Singvogel wird mit seinem graubraunen Gefieder, seinem unauffälligen Verhalten und dem wenig aufdringlichen Gesang kaum zur Kenntnis genommen. Aber sie hat es faustdick unter den Flügeln!

 

Ihre Unscheinbarkeit wird schon im Namen deutlich, wer Heckenbraunelle heißt, wird sicher ein eher zurück gezogenes Leben führen, sich in Hecken "rumdrücken" und die große Öffentlichkeit meiden. Genau das tut die Heckenbraunelle. Allerdings hat auch sie große Auftritte und wie wir sehen werden, hat sie es, was ihr Eheleben angeht, "faustdick hinter den Ohren".

Große Auftritte hat sie, wenn sie, wie jetzt im März, als einer der wenigen Vögel im Garten lauthals singt. Zwar kann sie mit der Amsel, die jetzt die Schall-Hoheit über den Dachgiebeln inne hat, was Gefälligkeit für das menschliche Ohr und Schalldruck angeht, nicht mithalten, doch immerhin: sie singt! Sie singt oft schon ab Mitte Januar und verstummt nach dem Schlüpfen der Jungen im Mai. Der schnelle, flüssige Gesang umfasst nur wenige Töne und "erinnert ein wenig an ein quietschendes Wagenrad". Häufig wird er von mittelhohen Singwarten, wie einer Busch- oder Baumspitze vorgetragen

Einsteiger können die Heckenbraunelle mit einem Spatzen verwechseln. Doch hat sie einen spitzen und keinen kegelförmigen Schnabel. Nacken und Kehle sind graubraun, Rücken und Flanken dunkelbraun gestrichelt. Auf den ersten Blick ist sie damit einem Haussperlings-Weibchen ähnlich.

Nadel- und Mischwälder mit viel Unterwuchs, gerne Schonungen, sind typische Heckenbraunellen-Reviere, doch hat man mittlerweile größere Chancen sie in unseren Stadtlandschaften zu sehen. Wo Gärten, Friedhöfe, an Hecken und Gebüsch reiche Grünflächen das Stadtbild auflockern, ist sie zu erwarten. Sie führt ein eher unauffälliges Dasein, und ihre Anwesenheit kann schnell übersehen werden. Heckenbraunellen ziehen es vor, sich in dichtem Gebüsch zu verstecken oder mausartig am Boden vorbei zu huschen. Auch ihr Nest legen sie stets gut versteckt und unzugänglich an.

Die Heckenbraunelle ist (war?) in Deutschland meist ein Kurzstreckenzieher. Doch nimmt die Zahl der Überwinterer stetig zu und in den meisten Siedlungen dürfte sie mittlerweile ein Jahresvogel sein. Dabei profitiert sie durchaus von den Futterstellen in den Gärten. Bei einer Untersuchung in Schleswig-Holstein (Berndt, 2010) wurden Heckenbraunellen an 25-50 Prozent der ausgewerteten Fütterungen beobachtet. Im Westen und Süden Deutschlands dürfte - abseits der Hochlagen - der Anteil eher noch höher sein. Die Heckenbraunelle hat den typisch feinen Schnabel eines Insektenfressers. Im Winterhalbjahr ernährt sie sich jedoch gerne auch von kleinen Samen. Ähnlich wie ausgeprägte Körnerfresser hat sie deshalb sogar einen Kropf. Ihre Nahrung sucht sie fast ausschließlich auf dem Boden. Sie bewegt sich dabei ruckweise hüpfend. In der warmen Jahreszeit kann sie sich wieder von Würmern, Ameisen, Käfern und kleinen Schnecken ernähren, auch Fliegen und andere Insekten fängt sie sehr geschickt.

Kaum bekannt ist, dass bei der Heckenbraunelle sowohl die Männchen als auch die Weibchen singen. Das muss etwas mit der Fortpflanzung der Vögel zu tun haben, denn der Gesang ist ja Revierabgrenzung, Demonstration von (Fortpflanzungs-) Fitness und sexueller Attraktor.

Bei unserer "grauen Maus" verteidigen sowohl Männchen gegen andere Männchen als auch Weibchen gegen andere Weibchen Reviere. Männchen verteidigen nicht nur ihr eigenes "Klein-Revier", sondern versuchen auch Weibchen-Reviere zu erobern und gegenüber anderen Männchen zu verteidigen.

 

Das dominante Männchen versucht in der Fortpflanzungszeit das subdominante Männchen von „seinen“ Weibchen fernzuhalten und sich alleine mit ihnen zu paaren. Dabei kann es zu teilweise heftigen Kämpfen unter den Männchen kommen. Trotzdem gelingt es dem dominanten Männchen kaum, das subdominante von jeder Paarungsaktivität auszuschließen. Zumal auch jedes Weibchen im Revier eines dominanten Männchens gegen einen „Seitensprung“ mit einem subdominanten Verehrer nichts einzuwenden hat. Schließlich geht es bei all diesen Verhaltensweisen immer um einen möglichst großen Fortpflanzungserfolg des Einzeltieres.

 

Der Fachausdruck für ein solches Verhalten ist „Polygynandrie“, was etwa Vielweiberei und Vielmännerei gleichzeitig bedeutet. Oder mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger: Sodom und Gomorra in unseren Hausgärten. Wer hätte das von den so harmlos aussehenden Heckenbraunellen gedacht? (Röhlen, M., 2007)

 

Text und Fotos von Thomas Griesohn-Pflieger

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