Der Strauss: Ein Vogelporträt

Der Strauß – Portrait einer afrikanischen Ikone

Meist sind es die großen Säugetiere, auf die es die Safaris in Ost- oder Südafrika abgesehen haben. In unserem kollektiven Bewusstsein von den Wildtieren des schwarzen Kontinents taucht aber neben Löwe, Zebra, Elefant und Giraffe zumindest eine Vogelart auf, die nicht minder symbolträchtig und – wie wir sehen werden – in vielerlei Hinsicht auch einzigartig ist: der Strauß.

 

Der Strauß - Ein Vogel der Superlative

Vogel Strauß
Afrikanischer Strauß (V. Sthamer)

Tatsächlich ist der Strauß einer der letzten überlebenden Riesen einer sehr ursprünglichen Vogelgruppe, der Ratites. Diese besitzen im Gegensatz zu allen anderen Vögeln keinen Brustbeinkamm oder Kiel (an dem die Flugmuskulatur ansetzt) und sind somit flugunfähig.

Als entfernter Verwandter der größten jemals auf der Erde lebenden Vögel (Moas und Elefantenvögel) ist der Strauß der heute größte und schwerste Vogel überhaupt: Männchen erreichen eine Körpergröße von 2,70 Metern und ein Gewicht von bis zu 150 Kilogramm. Die Weibchen sind mit knapp 2 Metern und einem Gewicht von ca. 100 Kilogramm deutlich kleiner. Männchen haben ein überwiegend schwarzes Gefieder, zu dem die weißen Hauptschwingen und der gelbliche Schwanz kontrastieren. Die Weibchen sind überwiegend graubraun, frisch geschlüpfte Küken haben einen rotbraunen Hals mit schwarzen Tupfen. Der sehr lange Hals ist fast nackt, nur von einem kurzen Flaum bedeckt, der je nach Unterart grau oder rosafarben erscheint.

Und noch einen anatomischen Rekord hat der Strauß zu bieten: Mit rund 5 Zentimetern Durchmesser hat er die größten Augen aller Landlebewesen – jedes seiner Augen ist somit größer als das Gehirn. Und natürlich bietet auch das Straußenei einige Superlativen: Es wird bis zu 1,9 kg schwer – man braucht 40 Minuten, um es hart zu kochen - und seine Schale ist 2-3 mm dick. Da jeder (unbefruchtete) Dotter aus nur einer einzigen Eizelle besteht, ist der Dotter des Straußeneis gleichzeitig die größte Zelle aller heute lebenden Organismen. Einzigartig unter den Vögeln ist auch, dass die Strauße nur zwei Zehen besitzen. Die innere Zehe ist dabei diejenige, auf der hauptsächlich gelaufen wird, sie ist viel kräftiger und länger als die stabilisierende äußere Zehe. Dies ist eine besondere Anpassung an schnelles Rennen: Mit einer Spitzengeschwindigkeit von 70 km/h ist der Strauß der schnellste sich am Boden bewegende Vogel. Bei Gefahr läuft ein Strauß einfach davon – es sei denn, er verteidigt seine Brut. Dann kommen nämlich die kräftigen Krallen der Innenzehe zum Zug, mit der er sogar einen Löwen töten kann.

 

 

Welcher Strauß lebt(e) wo?

Von den ehemals vier Unterarten des Straußes wurde eine 2014 aufgrund genetischer Untersuchungen zum Artrang erhoben, d.h. es gibt zwei Straußenarten: den Strauß (früher: "Afrikanischer Strauß", Struthio camelus) und den Somalistrauß (Struthio molybdophanes). Letzterer lebt auf dem Horn von Afrika, vornehmlich in Somalia und Äthiopien, hat einen blaugrauen Hals und ebenso bläuliche Beine. Er wird auf der Roten Liste als gefährdet eingestuft. Der Strauß wiederum kommt in einer nördlichen und einer südlichen Population vor,  getrennt durch den Regenwaldgürtel des Kontinents.

Der Nordafrikanische Strauß ist die Nominatform S. c. camelus, deren Männchen vor allem zur Paarungszeit einen rosa bis kräftig pinkfarbenen Hals und ebensolche Oberschenkel besitzen, während der Südafrikanische Strauß, Unterart S. c. australis einen eher grauen Hals besitzt. Bis in die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gab es auch noch den Arabischen Strauß (S. c. syriacus), der in Syrien, Jordanien und der nördlichen Arabischen Halbinsel vorkam, diese Unterart wurde aber durch starke Bejagung ausgerottet. Übrigens kam Struthio camelus noch während der letzten Eiszeit auch auf der Iberischen Halbinsel und dem Indischen Subkontinent vor. Ebenso wie der Arabische Strauß wurden auch die nordafrikanischen Vorkommen des Straußes vor etwa hundert Jahren ausgerottet. Wiederansiedlungen gibt es inzwischen im Souss Massa Nationalpark in Marokko, in der Negevwüste und im Hai-Bar-Reservat in Israel sowie im Mahazat-as-Sayd-Schutzgebiet in Saudi-Arabien.

Vom Leben und der Liebe der Strauße

strauss jungen
Afrikanischer Strauß
Afrikanischer Strauß (V. Sthamer)

Strauße brauchen Übersicht: Von der Savanne bis zur Wüste besiedeln sie alle offenen Lebensräume Afrikas. Sie werden erstaunlich gut mit Trockenheit fertig, meiden aber Savannen, in denen das Gras höher als einen Meter wächst, und dringen nur bedingt in die Buschsavanne ein, da zu viele Büsche sie am schnellen Laufen hindern. Sie leben in losen Gruppen von 5-50 Tieren, wobei auch Einzeltiere beobachtet werden und immer wieder von einer Gruppe zur anderen gewechselt wird. An Wasserlöchern in (Halb-)Wüsten können auch mehrere hundert Individuen zusammenkommen. Und ähnlich wie bei den grasfressenden Säugetieren unternehmen auch Strauße größere Wanderungen, wenn die Nahrung knapp wird.
Sie ernähren sich vornehmlich vegetarisch (eine klassische Anpassung daran ist der 14 Meter lange Darm), es werden aber auch wirbellose Kleintiere verspeist. Zur Zerkleinerung der Nahrung im Magen schlucken Strauße, ähnlich wie Hühnervögel, kleine Steinchen.

Eines der spannendsten Kapitel bei den Straußen ist aber ihre Fortpflanzung: Die Männchen werden bei steigendem Pegel der Sexualhormone teritorial und verteidigen ein größeres Gebiet gegen andere Hähne, gleichzeitig scharen sie einen Harem aus Weibchen um sich und scharren einige riesige Nestmulden (Durchmesser ca. 3 Meter) aus. Die Balz besteht aus weitdringenden, sehr tiefen Rufen, die an entferntes Löwengebrüll erinnern, und die Weibchen werden zusätzlich mit einem anmutigen Tanz betört, bei dem sie die Flügel abwechselnd auf und ab bewegen und mit dem langen Hals eine Art "Schlangentanz" veranstalten. Der  Straußenhahn paart sich dann zwar mit mehreren Hennen, aber nachdem diese ihre Eier alle in ein Nest gelegt haben, werden sie verjagt und es bleibt nur seine einzig angebetete "Haupthenne" zurück, mit der zusammen er das Gelege (aus 15-40, im Extremfall bis zu 80 Eiern) ausbrütet und die geschlüpften Sprösslinge führt und aufzieht. Die beiden bleiben meist ein Leben lang beieinander. Interessanterweise paaren sich die verjagten Nebenhennen dann noch mit weiteren Männchen in deren Revieren – so ist der Strauß in gewisser Weise sowohl monogam als auch polygam. Die eigenen Eier erkennt die Haupthenne übrigens nur zu gut, sie werden nämlich immer in der Mitte des Geleges bebrütet, wo sie geschützter sind als die "Randeier". Eine Menge Feinde sind auf solche Gelege scharf (Hyänen, Schakale, Löwen etc), und da zeigt sich auch, warum die Strauße in derartigem Überfluss Eier produzieren: Manchmal werden einzelne Eier (von Nebenhennen) etwas abseits des Nests plaziert, gewissermaßen als Opfer für die Beutegreifer, damit der Großteil der Brut und vor allem die eigenen Eier überleben. Weitere Fun Facts: Straußenhähne besitzen einen Penis, der meist in der Kloakenröhre verborgen ist, aber zur Begattung und beim Entleeren des Darms ausgestülpt wird. Das haben die Strauße nur mit den Entenvögeln gemeinsam. Und: Nachts brütet das Männchen, tagsüber das Weibchen.

Neben Droh- und Demutsgesten, die dem Etablieren der Rangordnung in einer Gruppe dienen, ist eine spannende Verhaltensweise der Strauße schon richtig sprichwörtlich geworden:

Stecken Strauße den Kopf in den Sand

strauss in afrika

Natürlich nicht! Aber ein brütender Strauß macht sich ganz klein und streckt Hals und Kopf flach auf dem Boden aus, um nach Möglichkeit übersehen zu werden. Von weitem kann das aussehen, als steckten die Strauße den Kopf in den Sand. Eine andere Erklärung für die "Vogelstraußpolitik" ist, dass fressende Strauße mit dem Kopf am Boden manchmal kopflos wirken, da in Bodennähe die Luft am heißesten ist und eine Luftspiegelung verursacht, die den Kopf "verschluckt". Dass diese Überlebenskünstler aber alles andere als fatalistische Verdränger sind, können wir aus ihrem ausgeklügelten Fortpflanzungsverhalten ersehen.

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